01.07.2010 - Positionspapier der Sächsischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vom 01.07.2010
Juli 2010 - Positionspapier der Sächsischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vom 01.07.2010
POSITIONSPAPIER DER SÄCHSISCHEN WOHNUNGS- UND IMMOBILIENWIRTSCHAFT ZUM ÖFFENTLICHEN WOHNUNGSPOLITISCHEN FORUM AM 1. JULI 2010 IN RADEBEUL
vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.
Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. (VSWG)
„Wohnen im Wandel. Zukunft denken - Gegenwart gestalten - Vergangenheit erhalten.”
Die im vdw Sachsen und im VSWG organisierten 368 Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften haben in Sachsen mit nachhaltigen Investitionen in Höhe von 23,5 Milliarden Euro die Grundlage für dauerhaftes soziales Wohnen geschaffen. Damit sind sie ein stabilisierender Faktor für die lokale Bauwirtschaft und das Handwerk und sorgen zudem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Städten.
Die Wohnungsunternehmen bieten 1,2 Millionen Menschen ein sicheres Wohnen und nehmen im Vergleich des energetischen Wohnstandards Deutschlands eine Spitzenposition ein. Außerdem verfügen sie über das größte Angebot altersgerechter Wohnungen. Mit dem Rückbau von über 83.000 Wohnungen und Investitionen in die Aufwertung zählen sie zu den Hauptakteuren des Stadtumbaus.
In der Krise erweisen sie sich so als verlässlicher Partner, denn unsere Mitgliedsunternehmen tragen entscheidend zur Stabilisierung und Steigerung der Attraktivität sächsischer Städte als Wohn- und Wirtschaftsstandorte bei.
Die sächsischen Wohnungsverbände sehen jedoch diese erreichten Ziele, insbesondere durch aktuelle politische Entscheidungen, als gefährdet an.
Unsere Forderungen
1. Stadtentwicklung
Im Freistaat wird schon in den nächsten zehn Jahren die Zahl der privaten Haushalte um mehr als fünf Prozent zurückgehen. Damit wird sich die Leerstandssituation in Sachsen erneut prägnant verschärfen.
Der bisher erfolgreiche Stadtumbauprozess in Sachsen basierte auf zwei Säulen: Stadtumbauprogramm und Altschuldenhilfe. Die Förderung des Rückbaus sowie die Aufwertung verbliebener Wohnungen im Rahmen des Stadtumbaus Ost wären ohne Altschuldenentlastung nicht erfolgreich gewesen. Eine weitere Beteiligung der Wohnungsunternehmen ist ohne die Aufrechterhaltung dieser beiden tragenden Säulen für die Zukunft nicht denkbar.
Die vom Bundesbauminister Ramsauer angekündigte Kürzung der Städtebauförderung um 50 Prozent, die auch den Stadtumbau Ost beinhaltet, birgt neue Gefahren. Denn sie wird unweigerlich zu einem erneuten Anstieg des Leerstands in Sachsen führen. Das Zurückfahren der Städtebauförderung bedeutet letztendlich einen Rückgang des finanziellen Volumens um das Zwei- bis Dreifache, weil die Städtebauförderung durch Länder und Kommunen in der Regel in gleicher Höhe komplementär finanziert wird. Diese Landes- und kommunalen Mittel würden zusätzlich zur Kürzung des Bundes wegfallen.
Wir fordern:
- Bund und Freistaat müssen die Städtebauförderung entsprechend der in der Vergangenheit festgestellten Investitionsbedarfe ungeschmälert fortsetzen. Dies gilt insbesondere für die Programme Stadtumbau Ost und Soziale Stadt. Mögliche Kürzungen des Bundes dürfen nicht automatisch zu Kürzungen von Fördermitteln des Freistaates führen.
- Das Stadtumbauprogramm muss die Voraussetzung schaffen, problemadäquat den unterschiedlichen städtebaulichen Herausforderungen vor Ort gerecht zu werden. Im Rahmen des Rückbaus muss neben dem Komplexabriss der Teilrückbau als eine städtebauliche Komponente durch höhere Fördersätze endlich Akzeptanz finden.
- Die Altschuldenfrage muss noch im Jahr 2010 dauerhaft gelöst werden, d. h. zukünftig müssen alle im Rahmen des Stadtumbaus und entsprechender Stadtentwicklungskonzepte abgerissenen Wohnungen von Altschulden entlastet werden.
2. Klimaschutz und Energieeffizienz
Klimaschutz wird bei den sächsischen Wohnungsunternehmen schon seit Jahren großgeschrieben. Für alle Haushalte ist nach dem aktuellen Allokationsplan zur Erreichung des deutschen Kyoto-Ziels von 1990 bis 2012 eine Minderung der CO2-Emissionen von zwölf Prozent zu erreichen. Mit einer Reduzierung um 25 Prozent erfüllen die Wohnungsunternehmen in Sachsen das Kyoto-Ziel nachweislich bereits um das Doppelte. Durch energetische Modernisierungen und den zunehmenden Einsatz von erneuerbaren Energien konnte der CO2- Ausstoß bei den sächsischen Wohnungsunternehmen auch im Jahre 2009 weiter reduziert werden.
Die Anforderungen der Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) führen jedoch bereits jetzt zu einer Verminderung der Investitionen, da die Investitionen zwar nach Mietrecht auf die Miete umgelegt werden dürften, jedoch durch die am Markt erzielbaren Miethöhen nicht umgelegt werden können. Damit sind Investitionen in die energetische Sanierung nicht länger wirtschaftlich darstellbar und unterbleiben gänzlich.
Hinzu kommt das Zusammenstreichen der Mittel bei den KfW-Programmen „Energieeffizient Bauen” und „Sanieren”, die eine wirtschaftlich vertretbare energetische Sanierung zusätzlich erschweren. Zudem hilft viel nicht immer viel. Die Vorgaben der Politik führen damit auf Dauer zu weniger Investitionen in die energetische Sanierung und behindern letztlich den notwendigen Klimaschutz.
Wir fordern:
- Auf eine weitere Verschärfung der Anforderungen an das energiesparende Bauen und die Einführung von neuen Nachrüst- und Nutzungspflichten bei Bund und Land ist generell zu verzichten. Energetische Modernisierungen müssen vom Vermieter ökonomisch vertretbar durchführbar sein.
- Eine Kürzung der Förderung muss verhindert und auch wieder zurückgenommen werden (KfW-Förderung (Kreditanstalt für Wiederaufbau), Haushaltsperre für BAFA-Förderung (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) für Solarkollektoren u.a., Kürzung der Einspeisevergütung)
- Steuerliche Nachteile für Wohnungsunternehmen bei der Nutzung erneuerbarer Energieanlagen müssen beseitigt werden. Die Regelungen des Gewerbesteuergesetzes verhindern zum Beispiel die Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz für reine Vermietungsgenossenschaften.
- Generell müssen der Wettbewerb und die Kostentransparenz auf den Energiemärkten verbessert und Energiepreise wirksam kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass durch Investitionen erreichte Energieeinsparungen den Nutzern dauerhaft zugute kommen.
3. Hartz IV und Kosten der Unterkunft
Mehr als fünf Jahre nach Inkrafttreten der Hartz IV-Reform verschlechtern sich zusehends die Voraussetzungen, Betroffene angemessen unterbringen zu können. Insbesondere die Bemessung der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) gibt den Wohnungsunternehmen unverändert Anlass zur Besorgnis. Trotz des grundrechtlich gesicherten Anspruches auf angemessene Unterbringung entsprechen die festgelegten Obergrenzen für die Kaltmiete nicht den örtlich üblichen Mietpreisen. Der Kostensenkungsdruck der ARGE´n ist in den zurückliegenden Jahren spürbar gestiegen, was die Unterbringung von ALG II-Empfängern zunehmend erschwert.
Wir fordern:
- Im Rahmen von Hartz IV sind verbindliche objektive Kriterien zur Ermittlung der örtlich angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) festzulegen. Die geforderte Wohnpauschale darf keinesfalls eingeführt werden, da sie der gesetzlichen Pflicht zur Übernahme der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zuwider läuft.
- Die in Folge energetischer Sanierung gestiegenen Nettokaltmieten sind von den Leistungsträgern als angemessen anzuerkennen, da nur so den gestiegenen Anforderungen an die Energieeffizienz von Wohngebäuden Rechnung getragen werden kann.
4. Denkmalschutz
Im Vergleich zu anderen Bundesländern nimmt der Freistaat Sachsen mit seinen derzeit ca. 100.000 ausgewiesenen denkmalgeschützten Gebäuden einen Spitzenplatz ein. Aber nur genutzte Denkmale sind auf Dauer auch in ihrem Bestand gesichert. Bei einem nicht unwesentlichen Teil dieser Gebäudesubstanz ist jedoch ein erheblicher Sanierungsstau zu verzeichnen. Bei der Verbesserung des baulichen und energetischen Zustandes von Baudenkmalen muss der visuelle und gegenständliche Erhalt der Bausubstanz mit der heutigen modernen und energiereduzierten Nutzung von Wohngebäuden in Übereinstimmung gebracht werden. Für Gebäude ohne jegliche nachhaltige sowie wirtschaftliche Nutzungsperspektive darf der Rückbau kein grundsätzliches Tabu sein.
Wir fordern:
- Im Denkmalbestand ist eine nachvollziehbare Differenzierung im Umgang mit Denkmalen, eine Präzisierung und Aktualisierung der Denkmalliste im Freistaat Sachsen und eine Qualifizierung der Denkmalbegründung erforderlich.
- Der Ersatz von unrentierlichen Kosten beim zwingenden Erhalt eines Denkmals ist in Form von Zuschüssen zu fördern. Dies erfordert ebenfalls eine entsprechende Anpassung der Wohnraumförderprogramme.
- Im denkmalgeschützten Wohnungsbestand ist eine angemessene, d. h. realistische Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange des Eigentümers (§ 8 SächsDSchG) notwendig.
Dresden, den 1. Juli 2010
Siegfried Schneider Dr. Axel Viehweger
Verbandsdirektor des vdw Sachsen Verbandsdirektor des VSWG